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Nachdenklich bis ernste Gedichte | Martina Müller
 
Alte Frau auf dem Friedhof


Still geh ich durch die Reihen,
hab keine Eile mehr;
worauf sollt ich mich freuen?
Bald komm ich auch hierher.

Die mir einst lieb gewesen,
sie ließen mich allein.
Die Namen kann ich lesen
nur noch auf glattem Stein.

Es zieht mich an die Stätte,
die sie mir nahe bringt
und manchmal ist's, als hätte
mir eine Hand gewinkt.

Unendlich müd geworden
fällt Gehen mir schon schwer;
ich denk das nicht in Worten.
Bin ohne Gegenwehr.

Ich setz an einer Buche
mich nieder auf der Bank
und dünk mich auf der Suche.
Die Zeit erscheint mir lang.

Mein Blick streift das Vergehen,
das mich umgibt als Hauch;
mühe mich um Verstehen.
Nur hier gelingt das auch.

Die Seele ist gefangen,
doch bald lass ich sie frei;
dann fliegt sie voll Verlangen
und es verstummt ihr Schrei.

Die Lebenswege münden
in jenen Ort der Ruh.
Ich werde alles finden,
wenn Erde deckt mich zu.

Noch hör ich Vögel singen
und sehe Blumen blühn;
zum Gehn muss ich mich zwingen.
Doch Trost - hier fand ich ihn.


Text: © by Martina Müller
 
 
 © Martina Müller / 2009