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Heiter und so weiter... | Martina Müller
 
Respektlos


Oh, ich bin unvollkommen und schau zum Fachmann auf,
bewerfe mich mit Asche und schwöre kurz darauf,
dass ich das ausprobiere, was er empfahl mir jetzt,
dass ich akribisch forme, bis nichts ihn mehr entsetzt.

Mit diesem Vorsatz komme ich ja   N U N   zu Hause an
und setze mich natürlich gleich .... an diese Arbeit ran.
Das   D A N N   sollt ich nicht nehmen, ich wich aus auf ein   N U N
das ändert mir den Sinn noch nicht und deshalb kann ichs tun.

Der deutschen Sprache mächtig, bedien ich mich bei ihr
und schreibe rhythmisch richtig; da geb ich Mühe mir,
dass Silbenzahl mit Jambus sich ineinanderlegt,
damit mir auch kein Kritikus den Vers vom Tische fegt.

Ich schreib nicht mehr von Liebe, denn das ist nicht mehr neu,
das machten viele vor mir, verluden schon das Heu;
zeig folglich mich dynamisch, verlege mein Ressort:
ich wähle andre Themen und sehe mich sehr vor.

Die dichterische Freiheit, mal Worte zu verdrehn,
die find ich selber komisch; doch konnt ich das verstehn,
als aus der Not geboren, um Form, Reim und Gehalt
zu einen, sah wohl dabei vor Bäumen nicht den Wald.

Das werd ich nicht mehr machen, auch wenn man das begreift
und wenn manch Spatz Verdrehtes aus seiner Kehle pfeift;
das ist wohl nicht die Sprache, die fähig für Salon
und Podium des Schreibers ist, ich bitte um Pardon.

Ein Lyriker braucht Witz und Biss und seine Logik auch,
und die muss ihm im Blute sein wie das Gefühl im Bauch...
Auch ehrlich muss er bleiben, egal ob er das darf,
damit sein Wort für jeden Vers geschliffen sei und scharf.

Sonst hat er schon verloren, noch ehe er begann
und es hört sich niemand gerne die Gedichte an.
Federleicht muss Wahrheit führ'n der Selektier-Verstand,
der bei der Demontage niemals brumme vor die Wand.

Ich übe mich in Selbstkritik und feile Reim für Reim,
dass flott die Späne fliegen in meinem Eigenheim.
Es soll nur übrig bleiben, was anspruchsvoller wird,
drum wurde konsequenter hier rationalisiert.

Noch bin ich unvollkommen und schau zum Fachmann hoch,
bewerfe mich mit Asche und über immer noch,
wie ichs am besten schaffe, trenn Weizen ab vom Spreu;
so halt ich jede Vorschrift ein, doch bleib mir trotzdem treu.

Text: © by Martina Müller