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Nachdenklich bis ernste Gedichte | Martina Müller
 
Meiner Tochter


Sag kein Wort zuviel, denn dieses eine
trifft wieder ins Ziel, und macht, dass ich weine.
Wenn du mich verletzt, dann kannst du es spüren;
kommst nah noch zuletzt, die Flammen zu schüren.

Gereizt deine Rede, du willst nichts verstehen;
Gespräch wird zur Fehde, Land ist nicht zu sehen.
Verharrst im Verdammen, als wärest du blind,
nie mit mir zusammen und bist doch mein Kind.

In dir kein Besinnen, du denkst nicht zurück
und tief in mir drinnen stirbst du Stück für Stück.
Zurück bleibt Entsetzen, das lähmt mir den Willen,
du schlägst mich in Fetzen. Mein Leid bleibt im Stillen.

Das kannst du nicht hören, nicht sehn oder messen;
warum sollt's dich stören? Bin fast schon vergessen.
Nie bleibt dein Agieren entspannt, wie es sollte;
du wirst mich verlieren, auch wenn ich's nie wollte.

Kein Hallo, wie geht es und auch kein Vermissen;
doch alles und jedes soll ich dennoch wissen?
Woher und wohin, nein, was neigt die Waage?
Das reißt unser Glück klein, vergällt uns die Tage.

Du bist nicht erwachsen, bist groß nur geworden,
bist Schaf einer Herde, die blind treibt nach Norden.
In Schnee und ins Kalte, in Eis und Verderben;
was derzeit dich ballte, schlägt morgen dir Kerben.

Erst wenn liegt zerrissen, was du einst besessen,
lernst du es vermissen und kannst nicht vergessen.
Dann kehrt sich das Leiden und schlägt dir die Wunden,
dann denk an die Zeiten und an diese Stunden!

Weil oben wird unten und hinten zu vorn,
hast Rosen gefunden und greifst in den Dorn.
Wenn Reue und Umkehr bedauern zu spät,
liegt vieles auf dir schwer, was du hast gesät...

Du hast ein Gewissen, das wird dir einst zeigen,
nach endlosen Bissen bewahrt es kein Schweigen,
es bohrt nach der Quelle und nach dem Empfinden.
Du wirst diese Stelle viel später noch finden.

Noch fehlt’s dir an Reife und auch an den Jahren.
Wir lösen die Schleife und wollen bewahren
das, was hier noch bleibt und noch unvergoren.
Das Leben nur schreibt - endlos und unverloren.

Text: © by Martina Müller
 
 
 © Martina Müller / 2009